Kant ist schon nicht schlecht, aber Hegel ist Kokain

Wenn man nach einem Kanon von bedeutenden Philosophen fragt, dann werden immer 4 Namen genannt: Platon, Aristoteles, Kant und Hegel. Georg Wilhelm Friedrich Hegel lebte in einer torbulenten Zeit, sowohl intellektuell (das Werk Kant's hatte eine großen Einfluss auf ihn), als auch geschichtlich (französische Revolution etc.). Er war der letzte Philosoph, der ein umfassendes, universales, philosophisches System entwickelte. Hegels Einfluss ist noch bis heute riesig, vor allem was die spätere Entwicklung des Materialismus und Marxismus angeht, auf den Hegels Idealismus großen Einfluss hatte. Auch heute noch hat Hegel seine Aktualität nicht verloren, wie man zum Beispiel immer wieder an Denkern, wie Slavoj Zizek, mit seinem "lacanschen Hegelianismus", sieht. Wer sich mit tiefer zum Beispiel mit Marx beschäftigen will, kommt um Hegel nicht herum.

Die Texte Hegels sind wahrscheinlich die am schwersten zu verstehendsten Texte der Philosophiegeschichte. Auch Experten ist noch keine vollständige Interpretation seines Werkes gelungen. Das liegt nicht daran, dass er viele Fremdwörter benutzt oder dergleichen, sondern an seiner Art zu schreiben. Eine Dichte an Aussagen, die ein ungewohntes denken produzieren, haben den Effekt, dass man oft zweimal lesen und das Tempo variieren muss. Mal ist es besser zügig auf dem Fluss von Phrasen und Assoziationen zu gleiten und in Kauf zu nehmen, dass man eher eine Ahnung hat, was gemeint ist, als eine Erkenntnis und ein anderes Mal sollte man Satz für Satz oder vielleicht sogar Wort für Wort lesen. Die "Phänomenologie des Geistes" ist wohl der schwierigste seiner Texte. Er wirkt darin wie ein Konstrukteur, der mithilfe von Begriffen, ein Gerüst baut, dass zuerst zerbrechlich und leer wirkt, um es dann mit Beispielen anzuhäufen und zu bestücken. Bereits im ersten Drittel der Vorrede, hat Hegel ein Modell entwickelt, dass es auszuschmücken gilt.

Hegels Anspruch ist sehr hoch, er will nichts anderes, als die Philosophie zu einer wahren Wissenschaft zu machen. Entgegen zum Trend seiner Zeit, in der der Empirismus, vor allen in England, sich an großer Beliebtheit erfreute, war für ihn klar, dass Wahrheit nicht in der Anschauung oder Erfahrung besteht, sondern im Begriff (Platon hätte wohl gesagt: in den Ideen). Allerdings ist dieses Wahre nicht nur eine Substanz, sondern auch Subjekt. (Hegel 1807, S. 20) Wer sich ein bisschen auskennt, der wird es ahnen: Hegels Quasi-Naturgesetz der Dialektik kommt ins Spiel. Wahrheit ist nichts festes, was man nur entdecken brauch. Viel mehr ist es eine Bewegung: "Das Wahre ist das Ganze. Das Ganze ist nur das durch seine Entwicklung vollendete Wesen" (ebd., S. 22) Sprich die Wahrheit ist das Resultat des Werdens, einer dialektischen Bewegung . (Die Dialektik wird oft heruntergebrochen auf die drei Begriffe: These, Anti-These, Synthese)

Nun führt Hegel die Begriffe des "an sich" und "für sich" ein. Er erläutert es am Beispiel des Embryos: Der Embryo ist zwar Mensch an sich, also Substanz, Form, allerdings ohne jegliche (dialektische) Selbstbewegung. Erst mit der Vernunft im Menschen, der sich selber dazu macht, was er ist, nämlich Mensch, erhält die Form eine Bewegung und er ist Mensch für sich. (ebd. S. 23)

Die Wahrheit kann nur im System der Wissenschaft dargestellt werden. Diese Wissenschaft ist der Geist, der an und für sich ist (also sowohl Substanz als auch Subjekt) und deswegen Wissen von sich selbst erlangt. (ebd. S. 25) Die Phänomenologie des Geistes soll nun das Werden des Geistes und somit der Wissenschaft beschreiben. Am Anfang war sie geistlos, bloß sinnliches Bewusstsein, entwickelt sich jedoch durch verschiedene Gestalten des Geistes, zum reinen Begriff. Diese Entwicklung ist aber nicht die Entwicklung eines besonderen Individuums, sondern einem allgemeinen Individuum, dem "Weltgeist". (ebd. S. 28) Jeder von uns durchläuft die Bildungsstufen des allgemeinen Geistes, allerdings nur jene, die in ihrer Gestalt schon ausgearbeitet sind. "Dieses erworbene Eigentum des Geistes ist die unorganische Natur des Individuums" (ebd. S. 29). Die Aufgabe des Individuums liegt nun also darin, von dieser unorganischen Natur, Erkenntnis zu erwerben, wodurch der allgemeine Geist ein Selbstbewusstsein bekommt, das Werden oder die Reflexion des "Weltgeistes".


Hier ist Hegels Ziel rein theoretisch schon erreicht. Durch die Dialektik der Philosophie, wird sie zur Wissenschaft. In ihr zeigt sich das Werden des Geistes und somit der Wahrheit. Diese paar Seiten zeigen, wie Hegel auf engem Raum, mit wenigen Begriffen, eine dichte Konstruktion erzeugt, die alle Gestalten des Geistes erfassen und erklären soll. Da die Phänomenologie fast 600 Seiten hat, wird einem klar, warum sie so ein harter Brocken ist und doch eines seiner einflussreichsten Werke.


Fortsetzung folgt...


(Der Autor stellt in diesem Artikel, seine Interpretation vor. Sollten mir Fehler unterlaufen sein oder ähnliches, bitte ich um Kommentare.)

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