Saul Kripke: Name und Notwendigkeit - Teil 3 Die Bündeltheorie der Namen

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Auch John R. Searle geht in seinem Aufsatz „Proper Names“ vom Problem der informativen Identität aus. Also wie kann es sein, dass „a=a“ und „a=b“ verschiedenen Informationsgehalt (kognitiven Wert) haben. obwohl sowohl a, als auch b auf dasselbe Objekt referieren. Ein Beispiel:

(a) „Tullius = Tullius“ ist offensichtlich analytisch, d.h. die Wahrheit des Satzes, ergibt sich allein aus den Bedeutungen der Wörter. (In diesem Falle ist es natürlich eine Tautologie) 
(b) „Tulluis = Cicero“ hingegen ist auf keinen Fall analytisch. Jemand kann etwas über Tullius wissen, ohne dass er etwas über Cicero weiß, bzw. ohne zu wissen, dass Tullius und Cicero ein und dieselbe Person sind. 

Ist (b) nun also ein synthetischer Satz, d.h. ein Satz der sich nur durch Erfahrung als wahr erweisen kann? Wenn dem so ist, dann müssen die beiden Begriffe verschiedene Sinne haben und das erscheint unplausibel. Aber haben Eigennamen überhaupt so etwas wie Sinne? (Wir geben z.B. im Regelfall keine Definitionen für Eigennamen)
John Searle

Klar zu sein scheint allerdings, dass uns (b) Informationen liefert, die uns (a) nicht liefert. Doch was für Informationen? Nehmen wir an, sowohl (a) und (b) geben uns Informationen über den Gebrauch bestimmter Symbole in unserem Sprachsystem. „Tullius = Cicero“ liefert uns die Information, dass in unserer Sprache die beiden Namen synonym verwendet werden können. Somit sind sowohl (a) als auch (b) analytisch, weil ihre Wahrheit sich allein aus unseren sprachlichen Regeln ergeben. Klar ist allerdings auch, dass es Identitätsaussagen mit Eigennamen gibt, die synthetisch sind. (Wer zum Beispiel behauptet, dass Shakespeare Bacon ist, der kann das nicht aus irgendwelchen linguistischen Regeln ableiten, sondern muss Beweise erbringen. Er macht also keine Aussage über unser Sprachsystem sondern über die Welt.) Identitätsaussagen mit Eigennamen können also sowohl analytisch, als auch synthetisch sein.

Doch haben Eigennamen nun einen Sinn? Und wie muss man sich diesen Sinn vorstellen, damit die oben gezeigte Möglichkeit von analytischen und synthetischen Identitätsaussagen möglich ist? Searle betrachtet hierbei, wie wir einen Eigennamen lernen. Jemand beizubringen, was ein Stuhl ist, kann auf zwei Möglichkeiten geschehen: 

(1) Ich zeige auf den Gegenstand und erwähne das dazugehörige Wort. Also ich zeige auf einen Stuhl und sage: „Das ist ein Stuhl. Sieh ihn dir genau an.“ Mein Gegenüber wird sich bestimmte Eigenschaften merken, die er mit dem Wort „Stuhl“ verbindet und es ihm möglich machen, einen Stuhl von einem Tisch zu unterscheiden.

(2) Ich kann meinem Gegenüber eine Beschreibung eines Gegenstandes geben. Also ich sage ihm: „Also hör zu, ein Stuhl hat vier Beine, eine Lehne und man kann darauf sitzen.“ Auch hier gebe ich bestimmte Eigenschaften an, die dem Gegenstand zukommen und mit deren Hilfe man ihn identifizieren kann.

Genau diese Eigenschaften, so Searle, sind der Sinn eines Begriffs.

Das erinnert an Frege, der ja behauptete, was einen Namen mit seinem Referenten verbindet, ist ein Sinn, welcher eine Beschreibung ist, die nur auf diesen Gegenstand zutrifft. Auch Searle sagt, dass jeder Name einen Sinn haben muss, der bestimmte Eigenschaften des Gegenstandes herausgreift, die nur auf diesen Gegenstand zutreffen. Ein Name kann natürlich einen Sinn haben, allerdings auf nichts referieren. Nehmen wir das bekannte Beispiel des Phlogistons. Man dachte früher Wärme würde durch einen Stoff namens Phlogistons übertragen. Dies wurde von der Theorie der Thermodynamik schließlich widerlegt. So einen Stoff gab es nie und trotzdem konnte man mit der Phlogistontheorie gute Vorhersagen treffen und der Name „Phlogiston“ hatte einen Sinn, weil er mit einer Beschreibung in Verbindung gebracht werden konnte, jedoch war er „leer“ weil diese Beschreibung, wie sich herausstellte, auf nichts in der Welt zutraf.

Nun haben wir aber ein Problem und Searle nimmt hier schon ein Argument Kripkes vorweg, ohne es bis zum Schluss zu durchdenken. Nehmen wir an der Name „Aristoteles“ referiert durch den Sinn „der Lehrer Alexanders“. Es könnte sich herausstellen, dass all unser Wissen über Aristoteles falsch ist. Aristoteles hat nie irgendjemanden gelehrt, die Bücher die wir ihm zuschreiben sind eigentlich von jemand anders geschrieben wurden etc. Heißt das, dass Aristoteles nie existiert hat? Intuitiv würden wir sagen: Nein, nur die gewählte Beschreibung trifft nicht auf ihn zu. Doch wie können wir nun überhaupt die Referenz von „Aristoteles“ bestimmen? Jede Eigenschaft die wir herauspicken. ist nur eine kontingente Eigenschaft (also eine Eigenschaft, die auch nicht hätte zutreffen können) Aristoteles'. Und trotzdem scheint der Name auf ein bestimmtes Individuum in unserer Geschichte zu referieren.

Searles Antwort: Nun ja, es ist nicht nur eine Beschreibung einer Eigenschaft (was auch noch zu viele anderen merkwürdigen Konsequenzen führen würde, z.B. dass sich die Bedeutung eines Names jedes mal ändert, wenn sich der Gegenstand in der benannten Eigenschaft ändert etc.), sondern ein ganzes Bündel. Der Sinn eines Namens, durch den er also referiert, ist ein Bündel von Eigenschaften, die dieses Objekt haben muss, damit der Name auf es referiert. Ein Bündel für Aristoteles könnte also sein: „der Mann der in Stagira geboren ist, die nikomachische Ethik geschrieben hat, Schüler von Platon war, Alexander den großen gelehrt hat,...“ Also eine ausreichende aber unbestimmte Anzahl von Aussagen, die wahr über das Objekt sein müssen. Auch wenn Aristoteles nicht der Lehrer von Alexander war, können wir, wenn die anderen Aussagen zutreffen, wissen, auf wen der Name „Aristoteles“ referiert.

Natürlich ist diese Theorie ein wenig schwammig; Wie viele Aussagen sind eine „ausreichende aber unbestimmte Anzahl von Aussagen“? Was wenn die Hälfte der Aussagen wahr und die andere Hälfte falsch ist? Ab wie viel falschen Aussagen trifft ein Name nicht mehr auf ein Objekt zu? Searle sagt, diese Lockerheit von Eigennamen ist gerade ihr Vorteil. Man kann auf ein Objekt referieren, ohne genaue Kriterien der Identität angeben zu müssen. Außerdem wird bei einer Beschreibung nur eine kontingente Eigenschaft herausgegriffen. Man Stelle sich vor, wir ersetzen den Namen „Aristoteles“ in unserer Sprache durch eine Beschreibung, weil uns die Lockerheit von Eigennamen stört. Wie sollte man noch eindeutig auf Aristoteles referieren? Immer wenn wir von Aristoteles sprechen, müssten wir eindeutige Identitätsbedingungen für ihn angeben. Das wäre äußerst kompliziert und nervig.

Somit sind wir nun bei der „Bündeltheorie der Eigennamen“ angelangt, die Kripke später kritisieren wird. Und zwar genau mit einem ähnlichen Argument wie Searle selbst benutzt hat. Eine Beschreibung pickt eine kontingente Eigenschaft eines Gegenstandes heraus und reicht damit nicht aus um eindeutige Identitätskriterien eines Gegenstandes anzugeben und somit auch nicht, um für eine eindeutige Referenz eines Namens zu sorgen. Doch auch ein Bündel von Eigenschaften greift jeweils nur verschiedene kontingente Eigenschaften heraus, die dem Gegenstand nicht zwingend zukommen müssen, heraus und schlägt deswegen ebenfalls fehl, genaue Bedingungen anzugeben, wann ein Name auf einen Gegenstand referiert. Das Problem hat sich quasi nur verschoben, von einer Beschreibung die kontingent ist, zu einem Bündel von Beschreibungen, das kontingent ist.

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