Review: Margarethe von Trottas "Hannah Arendt"

Margarethe von Trotta ist bekannt dafür, sich mit den Biografien von berühmten, weiblichen Persönlichkeiten außeinander zu setzen. Nach zum Beispiel Rosa Luxemburg und Hildegard von Bingen, hat sie sich eine der bekanntesten Denkerinnen des 20. Jahrhunderts, Hannah Arendt, herausgesucht und einen Film gedreht. Dabei wird Arendt von Barbara Sukowa gespielt, die bereits  Rosa Luxemburg in einem von Trotta Film spielen durfte.

Insbesondere geht es um die Zeit zwischen 1960 und 1964, in der Hannah Arendt am Prozess gegen Adolf Eichmann teilnahm und für den New Yorker (das Medium der Linken der Ostküste) berichten sollte. Die Artikel die für viel Aufregung sorgten erschienen später in dem Band "Eichmann in Jerusalem - Ein Bericht über die Banalität des Bösen".

Rein filmisch gesehen ist der Film pures Mittelmaß. Weder von der Regie noch vom Drehbuch sollte man zu viel erwarten. Doch das ist bei so einem Film vielleicht auch nicht das Ausschlaggebende. Doch auch in der Darstellung Arendts Denken kann er keineswegs überzeugen. Auch wenn Babara Sukowa ihre Rolle als Arendt recht gut spielt, so sind alle anderen Darsteller wenig überzeugend. Vor allem die Liebeleien zwischen Arendt und ihrem Mann Heinrich Blücher (gespielt von Axel Milberg) regen eher zum Schmunzeln, als zum Mitfühlen an.

Spannung kommt erst richtig auf, wenn der Prozess gegen Eichmann beginnt, und Originalszenen des Prozesses gezeigt werden. Doch diese Spannung verfliegt so schnell wieder, wie sie gekommen ist. Der Film schafft es nicht die nötige Distanz aufzubauen, um die Widersprüche, die Hannah Arendt prägten darzustellen. Er ist schlicht zu parteiisch. Während Arendt ihre Argumente ausführen kann, werden ihre Gegenspieler wie Hans Jonas oder Kurt Blumenfeld als sture, streitsüchtige Kinder dargestellt. Die Amerikaner sogar als arrogante, uninteressierte Intellektuelle. Es wird viel Zeit darauf verwendet, Arendt beim Rauchen darzustellen. Hier wird eine semiotische Ebene deutlich: Das glimmen der Zigarette spiegelt Arendts anhaltende Denkbewegung wieder. Auffällig dabei ist, dass nur eine Seite raucht (also denkt), nämlich Arendt, ihr Mann, ihre Studenten.

Auch Arendts Beziehung zu Heidegger wird thematisiert, ohne aber wirklich Aufschluss zu geben, was diese beiden Denker füreinander so anziehend gemacht hat. Heidegger wird dabei als typisch deutscher Philosophieprofessor dargestellt, der langsam und stark artikulierend Platitüden von sich gibt, wie: "Wir leben weil wir lebendig sind, wir denken weil wir denkende Wesen sind." Was Hannah Arendt an Heidegger so anregend fand, kann so nicht deutlich werden. Gekrönt wird das Ganze wenn Heidagger vor Arendt nieder kniet, und seinen Kopf in ihre Schoß fallen lässt. Man kann sich der aufkommenden Übelkeit kaum verwehren.

Das Fazit des Films ist: Eichmann war nicht fähig zu denken. Was das nun eigentlich heißen soll, weiß man nicht so genau. Sowohl Heidegger als auch Arendt reiten den gesamten Film über auf dem Begriff des Denkens herum. Als Arendt ihrer Assistentin Lotte vorliest, dass Eichmann keine "teuflisch-dämonische Tiefe" besäße, sondern "unfähig zu denken" sei, quittiert diese es mit einem "Das ist großartig". Auch der Redakteur des New Yorker findet diese Einsicht äußerst originell. Das soll also die große Erkenntnis der Hannah Arendt über die "Banalität des Bösen" sein? Wer bereits einmal etwas von Arendt gelesen hat, merkt schnell, dass das den komplexen Gedanken einer Hannah Arendt nicht gerecht wird.

Margarethe von Trotta sollte hier noch einmal Nachhilfe nehmen. Was Arendt beschreibt, ist das Phänomen, dass Nobodies
wie Eichmann, total durchschnittliche Menschen, extrem Böses verrichten können. Wie ist das möglich? Natürlich Eichmann war nicht fähig zu denken, aber was heißt das nun überhaupt laut Arendt? Eichmann war nicht fähig zu Urteilen, Richtig von Falsch zu unterscheiden, weil er ein Solipsist war. Er war nicht fähig, sich in die Lage eines anderen Menschen zu versetzen. Alles was es für ihn gab, war er und seine Befehle, die er auszuführen hatte. In diesem Sinne kommt der Film einem Punkt nahe, den er eigentlich nicht verdeutlichen sollte: Wer genauso ein Solipsist wie Eichmann war, war Heidegger, dem in seiner Philosophie jegliches politisches Element fehlt. Das dürfte ein Punkt unter vielen sein, der dazu führte, dass Heidegger überzeugt war, die Nazis bringen das Sein wieder in die Welt.

Alles in allem ist der Film für jemanden der Hannah Arendts, zugegebenermaßen teilweise widersprüchliches und dunkles Denken kennt, eine Zumutung. Der Film wird dieser Zerrissenen Figur der Hannah Arendt nicht gerecht und erst recht nicht ihrem Denken. Punkten können die Originalszenen des Eichmann-Prozesses und die Darstellung des Milleus der New Yorker New School of Social Research. Der Film würde Arendt mehr als verärgern, denn er unterdrückt jegliches Selbstdenken von Beginn an.

Wertung: 5/10

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