Im Gedenken an Ernesto Laclau: Hegemonie und Populismus

Der argentinische Theoretiker Ernesto Laclau ist am 13. April 2014, im Alter von 78 Jahren, leider gestorben. Zusammen mit Chantal Mouffe hat er wohl eines der wichtigsten Werke des Post-Marxismus geschrieben. In "Hegemonie und radikale Demokratie. Zur Dekonstruktion des Marxismus." unterziehen Laclau und Mouffe den klassischen Marxismus einer detaillierten Kritik aus dem Blickwinkel eines erneuerten Denkens, das sich an Antonio Grasmci orientiert. Sie kritisieren vor allem die Geschichtsteleologie des Marxismus und die essentialistische Darstellung der Einheit und Homogenität des revolutionären "Subjekts". Laclau und Mouffe machen darauf aufmerksam, dass politische Identitäten erst erzeugt werden müssen.

Zur Philosophie gehört es auch, allgemein anerkannte Deutungen von Begriffen zu hinterfragen. Laclau hat es sich daher zur Aufgabe gemacht, zu zeigen, dass der Begriff des Populismus, der in den westlichen, liberal-demokratischen Staaten eine negative Konnotation trägt, ein Begriff ist, der bereits in die Strukturen des Politischen eingeschrieben ist. Daher fragt Laclau in dem Artikel der in der aktuellen Ausgabe der Luxemburg erschienen ist: "Warum Populismus?" Der Populismusbegriff wurde lange Zeit damit verbunden, dass eine politische Bewegung die Bevölkerung zu einer unstrukturierten Masse reduziert. Laclau weist stattdessen darauf hin, dass der Populismus eine Grunddimension des Politischen ist.

Dabei gilt es mit zwei Grundannahmen des klassischen Marxismus zu Brechen: Erstens die Annahme, dass die Geschichte teleologisch verlaufe, sprich sich einer bestimmten Entwicklungslogik verläuft. Zweitens, dass es ein homogenes Subjekt gibt, dass diese Logik erkennt und ausnutzen kann. In dieser Perspektive kann die "Masse" und somit der Populismus nur als unstrukturiert und irrational erscheinen. "Stellt man jedoch diese für den soziologischen und historischen Rationalismus grundlegende Vorverständnis infrage, werden die Rollen vertauscht: Homogenität ist dann nicht mehr das unerschütterliche Fundament der Geschichte. Sie wird stattdessen zu einem stets bedrohten Prozess hegemonialer Homogenisierung. Das Primäre ist dann die Heterogenität." (S. 7)

Daraus folgt, dass eine homogene Bewegung immer aus heterogenen Ansprüchen konstruiert und erzeugt werden muss. Genau darauf laufen die drei Elemente des Populismus laut Laclau hinaus. Es muss eine Äquivalenzkette von mehreren sozialen Ansprüchen bestehen. Das heißt, Lohnforderungen müssen mit Ansprüchen im Bezug auf z.B. Gesundheit, Verkehr, Wohnung etc. verbunden werden. Dadurch wird die Gesellschaft in zwei Lager gespaltet - in die popularen Klassen und die Machthaber. Dabei können die Ansprüche sich aus verschiedensten Ideologien speisen. Der Populismus ist neutral gegenüber Ideologien. Er ist vielmehr die "Form der Konstruktion des Politischen." (S.8) Das erklärt, warum es sowohl rechte, als auch linke Populismen gibt. Das dritte Merkmal ist ein "leerer Signifikant". Die Äquivalenzkette muss sich als Totalität, als eine Bewegung darstellen. Dazu muss ein Anspruch oder eine Gruppe von Ansprüchen, ohne seine Partikularität aufzugeben, die Ganze Bewegung repräsentieren. Dieser Signifikant, kann ein Führer sein oder bestimmte Ansprüche wie Demokratie oder Gerechtigkeit. Diese Repräsentation einer Allgemeinheit nennt Laclau nach Gramsci Hegemonie.

Somit entwirft Laclau eine Theorie der politischen Artikulation, die ohne Geschichtsteleologie und Identitätsontologie auskommt. Stattdessen ist Identitätsbildung immer ein Prozess, der offen ist. Wie nützlich Laclaus Theorie ist, zeigt sich bei einem Blick, auf die aktuell viel diskutierten Montagsdemos. Diese Bewegung die sich als jenseits von Rechts und Links beschreibt und Bedürfnisse nach Transparenz, Gerechtigkeit und Veränderung unter dem leeren Signifikanten des Friedens kanalisiert, zeigt sich dabei offen in Richtung des Neonazismus und Rechtspopulismus. Köpfe der Bewegung wie Ken Jebsen oder Jürgen Elsässer, die beide dem Spektrum des Rechtspopulismus und der Verschwörungstheorien zugeordnet werden, lenken die Bewegung dabei gleichzeitig in Richtung von völkischem und anti-semitischen Gedankenguts. Auch die NPD äußert sich dabei positiv zu dieser Bewegung. Der hegemoniale Kampf um den Signifikaten der Friedensbewegung ist eröffnet. Die Montagsdemos füllen ein Aktionsvakuum, dass auf die Bedrohung des Friedens durch die Krim-Krise und Forderungen nach Transparenz und Veränderung entstanden ist und von der Linken nicht aufgefüllt werden konnte. Die Handlungen der Linken ist bis jetzt eher reaktionär ausgefallen. Anstatt, wie wir es von Laclau lernen könnte, die Forderungen von Frieden, Transparenz und Veränderung selbst mit linken Artikulationen zu verbinden und somit die Vereinnahmung der Friedensbewegung durch Rechte zu kontestieren, steht man eher daneben und sieht wie das Kaninchen auf die Schlange. Es müsste darauf ankommen, den Signifikaten des Friedens selbst mit eigenen Forderungen und Aktionen zu besetzen, um somit im hegemonialen Kampf das Bild nach links zu verschieben.