Saul Kripke: Name und Notwendigkeit – Teil 1 Wo liegt das Problem? Freges Theorie der Eigennamen



Saul Aaron Kripke zählt als der wohl wichtigste, zur Zeit lebende, Philosoph. Er galt schon früh als ein Wunderkind. Er brachte sich mit 6 Jahren Hebräisch bei, hatte mit 9 das komplette Werk Shakespeares gelesen und beschäftigte sich mit Descartes und mathematischen Problemen bevor er die Grundschule verließ. Mit 18 veröffentlichte er seine erste Schrift zur Modallogik. Er hat sowohl die Logik als auch die Sprachphilosophie revolutioniert. 2001 bekam er für sein Werk den Schock Preis (so etwas wie der Nobelpreis für Philosophie).

Saul Aaron Kripke (Quelle: Wikipedia)

Seine wichtigsten sprachphilosophischen Gedanken veröffentlichte er in einem Büchlein namens „Naming and Necessity“. Es beruht auf 3 Vorträgen, die er 1970 frei an der Universität Princeton hielt. Darin widerlegt er gekonnt die bis dato vorherrschende Theorie über Eigennamen.Um seine Kritik an dieser Theorie zu verstehen, muss man sich die Theorie zuerst einmal ansehen und verstehen, wo eigentlich das philosophische Problem bei Eigennamen liegt.
Die Theorie die Kripke kritisiert wird allgemein die „Bedeutungstheorie der Eigennamen“ genannt und wurde vor allem von Leuten wie Gottlob Frege, Bertrand Russel oder John Searle entwickelt. 

Fangen wir bei Frege an. Frege stellte seine Auffassung über Eigennamen in seinem Aufsatz „Über Sinn und Bedeutung“ von 1892 dar. Wo ist für Frege das Problem, dass gelöst werden muss? Er stellt die Frage: Was ist die Identität? Eine Beziehung? Wenn ja, zwischen was? Zwischen Namen? Gegenständen?
Gottlob Frege (Quelle: Wikipedia)
Wie kann es sein, dass a=a eine Trivialität ist und der Satz der ausgedrückt wird analytisch wahr ist und keinerlei Erkenntnis bringt, während a=b sehr informativ sein kann? Das klassische Beispiel, dass Frege anbringt, ist das vom Morgenstern und Abendstern. (Wobei jeder der sich nur einmal mit Sprachphilosophie beschäftigt hat, das Beispiel in und auswendig kennt und weiß, dass der Morgenstern und der Abendstern keine Fixsterne sind, sondern die Venus.)
Dass der Morgenstern der Morgenstern ist (a=a), ist trivialerweise wahr. Wenn man es jemanden erzählt, der noch nie davon gehört hat, wird (a priori) wissen, dass es so sein muss. Jemand der aber noch nie etwas vom Morgenstern oder Abendstern gehört hat, könnte eine lehrreiche Information erhalten, wenn ich ihm erzähle, dass der Morgenstern der Abendstern (a=b) ist.

Wie ist das nun zu erklären? In seiner „Begriffsschrift“ dachte Frege noch, dass die Identität nur eine Beziehung zwischen Namen sei. Wenn dies so wäre, dann gäbe es aber keinen Unterschied, zwischen a=a und a=b. Dann müssten „Der Morgenstern ist der Morgenstern.“ und „Der Morgenstern ist der Abendstern.“ beide analytisch sein, weil sich die Identität aus der Bedeutung der Namen ergeben müsste. Das dem nicht so ist, ist offensichtlich.
Wenn es eine Beziehung nur zwischen Gegenständen ist, dann bezeichnen a und b zwar den gleichen Gegenstand, allerdings wäre die Identitätsaussage nur eine Aussage über unsere Bezeichnungsweise und diese ist willkürlich. Der Erkenntniswert von a=a und a=b wäre der Gleiche.

Wenn es nicht die Identität der Namen und auch nicht die der Gegenstände sein kann, wo liegt die Beziehung dann? Frege sagt, der Unterschied liegt in „der Art des Gegebenseins des Bezeichneten“. Er erläutert es an einem Beispiel, bei dem in einem Dreieck die Geraden die von den Ecken zum Mittelpunkt verlaufen, a, b, und c seien. Die Punkte a,b und a,c bezeichnen den gleichen Schnittpunkt, allerdings bezeichnen sie eine verschiedene „Art des Gegebenseins des Bezeichneten“.
Dieses Gegebensein nennt Frege nun den Sinn. Die Bedeutung eines Zeichens, ist der Gegenstand den es bezeichnet. (Frege benutzt den Begriff der Bedeutung anders, als man es heute tut. Heute würden wir mit Bedeutung eher das meinen, was er Sinn nennt und das, was er Bedeutung nennt eher Referenz nennen.) Der Sinn eines Namens, wird von einem kompetenten Sprecher einer Sprache immer miterfasst.

Nun folgt die Aristoteles Fußnote, die später immens an Bedeutung gewonnen hat. Darin sagt er, dass der Sinn eines Namens, zwischen verschiedenen Sprechern schwanken kann. Sein Beispiel ist der Name „Aristoteles“. Nehmen wir an Sprecher A verbindet mit dem Namen „Aristoteles“ den Sinn: „Aristoteles ist der Schüler Platons und der Lehrer Alexander des Großen.“ Sprecher B hingegen verbindet mit dem Namen den Sinn: „Aristoteles ist der aus Stagira stammende Lehrer Alexanders.“ Sprecher A und B verbinden mit dem Namen „Aristoteles“ einen anderen Sinn, allerdings haben beide die gleiche Bedeutung, nämlich Aristoteles (also dieser griechischen Philosophen). Der Satz „Aristoteles ist aus Stagira gebürtig.“ ist für Sprecher A unter Umständen informativ, für Sprecher B eher nicht. Auf diese Fußnote werden wir noch öfter zu sprechen kommen. Diese Ungenauigkeit der Sprache ist im Alltag nicht so schlimm, sollte aber in einer wissenschaftlich korrekten Sprache vermieden werden, so Frege.
(Quelle: Wikipedia)

Verschiedene Zeichen (Wörter) können den gleichen Sinn haben. Außerdem garantiert der Sinn noch keine Bedeutung. Der Ausdruck „die am wenigstens konvergente Reihe“ scheint einen Sinn zu haben, allerdings keine Bedeutung, da es zu jeder konvergenten Reihe eine Reihe gibt, die konvergenter ist.
In der Alltagssprache spricht man gewöhnlich von der Bedeutung eines Zeichens. Man allerdings auch von Zeichen oder einem Sinn sprechen. In der direkten Rede mit Anführungszeichen, spricht man von Zeichen, die ein anderer gebraucht hat. Also quasi Zeichen von Zeichen. In der indirekten Rede, spricht man von einem Sinn, den der andere zum Ausdruck bringen wollte.

Frege geht auch auf den Unterschied zwischen Sinn und Vorstellung ein. Eine Vorstellung, ist ein subjektives Bild. Man kann niemals dieselbe Vorstellung wie jemand anders haben. Sinn jedoch ist etwas intersubjektiv Geteiltes. Ich und du können mit dem gleichen Namen den gleichen Sinn verbinden. Ein Eigenname drückt also seinen aus und bedeutet seine Bedeutung (also den Gegenstand den er bezeichnet).

Wie sieht es nun mit ganzen Sätzen aus? Jeder Satz enthält einen Gedanken. Ist nun der Gedanke der Sinn oder die Bedeutung des Satzes? Wenn der Gedanke die Bedeutung eines Satzes sein soll, dann darf das Austauschen eines Wortes mit gleicher Bedeutung, aber anderem Sinn keinen Einfluss auf die Bedeutung des Satzes haben. Ist das so? Sehen wir uns ein Beispiel an:

a) „Der Abendstern ist ein von der Sonne beleuchteter Himmelskörper.“

b) „Der Morgenstern ist ein von der Sonne beleuchteter Himmelskörper“

„Abendstern“ und „Morgenstern“ haben die gleiche Bedeutung, aber unterschiedlichen Sinn. Nun zeigt sich aber, dass jemand der nicht weiß, dass der Abendstern der Morgenstern ist, a) für wahr und b) für falsch halten könnte. Also hat der das ersetzen der Wörter Einfluss auf die Bedeutung des Satzes. Somit kann der Gedanke im Satz, nur der Sinn des Satzes sein. Was ist dann seine Bedeutung? Naja, auf die Bedeutung eines Satzes kommt es uns eigentlich nur an, wenn es uns auf die Bedeutung der Bestandteile, also auf den Wahrheitswert ankommt. Wenn ein Schauspieler im Theater sagt: „Romeo war ein Sohn einer wohlhabenden Familie.“, dann kommt es uns nicht darauf an, ob das stimmt, oder ob Romeo jemals wirklich existiert hat. Sagen wir jedoch, dass der Mensch vom Affen abstammt, dann geht es uns darum, ob das wahr ist. Und ob es wahr ist, erfahren wir nur, wenn wir die Bestandteile des Satzes näher betrachten. Was folgt also daraus? Nun, die Bedeutung von Sätzen ist ihr Wahrheitswert. Was bei der Auswechslung von Wörtern mit gleicher Bedeutung aber unterschiedlichen Sinn erhalten bleibt, ist ihr Wahrheitswert.

Frege macht nun noch einige Ausführungen zum Thema der Nebensätze, die ich nicht alle im Detail erörtern möchte. Eines ist jedoch interessant, da es große Auswirkungen auf die Philosophie hatte. Bei der indirekten Rede formen wir Sätze wie: „Er glaubte, dass...“ oder „Er behauptete, dass...“. Die Bedeutung dieser Nebensätze, ist der Sinn der Worte „der Gedanke,dass...“. Diese dass-Sätze versteht man heute als Fregeanische Proposition. Sie drückt einen Gedanken aus. Dabei beeinflusst der Wahrheitswert des Nebensatzes, nicht den Wahrheitswert des Hauptsatzes. „Russel glaubt, dass er von Außerirdischen entführt wurde.“ ist wahr, so lange Russel es wirklich glaubt. Egal ob er wirklich von Außerirdischen entführt wurde oder nicht.

Nun gut! Hier haben wir also unsere erste Bedeutungstheorie von Eigennamen. In unserem Anfangsbeispiel hat a also die gleiche Bedeutung wie b und somit auch a=a die gleiche Bedeutung wie a=b, allerdings haben sie eben unterschiedlichen Sinn, weswegen der eine Satz trivial und der andere informativ sein kann. Namen funktionieren also so, dass sie das Zeichen, über Sinn mit einem bestimmten Gegenstand verbinden. Der Name „Danny“ verbindet z.B. den Sinn „Der, der diesen Text gerade schreibt.“ mit mir selbst.

Nun ja, demnächst geht es dann weiter mit Russel und Searle, bevor wir zu Saul Kripkes Kritik an der Beschreibungstheorie kommen.

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