Um zu verstehen, wie die Theorie aussieht, die Saul Kripke
in „Name und Notwendigkeit“ kritisiert, kommt man nicht herum, sich mit
Bertrand Russel (1872 – 1970) zu beschäftigen. Russel war einer der wichtigsten
Philosophen des 20. Jahrhunderts und stand im engen Kontakt mit Gottlob Frege.
Bertrand Russel |
In dem Aufsatz „On Denoting“ der uns interessiert, stellt
Russel seine Theorie zur Analyse von Kennzeichnungen vor. Wir erinnern uns,
dass Frege behauptete, dass Namen einen Sinn und eine Bedeutung haben. Die
Bedeutung ist dabei das Referenzobjekt des Namens und der Sinn ist im Prinzip
eine Kennzeichnung (auch wenn Frege das nicht genau so sagt). Russel möchte nun
zeigen, welche Probleme mit dieser Ansicht entstehen und wie sie gelöst werden
können. Er will zeigen, was „Sinne“ sind und wie sie funktionieren.
Er unterscheidet dazu zunächst 3 Arten von Kennzeichnungen
(eine Kennzeichnung ist z.B. „der König von Frankreich“ oder „der erste Mensch
auf dem Mond“):
a a)
eine Kennzeichnung benennt nichts z.B. „der
gegenwärtige König von Frankreich“,
b b)
eine Kennzeichnung benennt genau ein Objekt z.B.
„die Bundeskanzlerin“,
c c)
oder eine Kennzeichnung ist ambig d.h.
mehrdeutig z.B. kann „ein Mann“ einen ganz bestimmten Mann meinen oder einen
Mann im Allgemeinen
Er betont, dass Kennzeichnungen an sich keine Eigenständige
Bedeutung haben. Sie bekommen ihre Bedeutung erst in Sätzen. Die Probleme die wir mit Namen haben,
entstehen seiner Meinung nach, durch die falsche Analyse von Sätzen.
Der Satz „Ich habe einen Mann getroffen.“ wird laut Russel folgendermaßen analysiert:
Ich traf x und x ist ein Mann.
Oder der Satz „Alle Menschen sind sterblich.“ wird
folgendermaßen analysiert:
Für alle x gilt, wenn x ein Mensch ist, dann ist x sterblich
bzw.
(Für alle die nicht mit der Schreibweise formaler Logik
vertraut sind: das umgedrehte A ist der All-Quantor also das Symbol für „Für
alle x gilt,…“, Ein umgedrehtes E ist der Existenz-Quantor, also das Symbol für
„Es gibt ein x, für das gilt…“, der Pfeil ist die Implikation also „wenn,
dann…“, Großbuchstaben stehen für Eigenschaften, also das M für „Menschsein“
und das S für „Sterblichsein“, Buchstaben vom Ende des Alphabets stehen für
Variablen, Buchstaben vom Anfang des Alphabets für Einzelgegenstände. Der
Formalismus ist am Anfang gewöhnungsbedürftig, aber in vielen Fällen sehr
nützlich, da bestimmte Sachen auf den ersten Blick auffallen)
Definite Kennzeichnungen sind Kennzeichnungen, die genau ein
Objekt herausgreifen z.B. „der Vater von Charles dem II.“ Diese Kennzeichnungen
implizieren Einmaligkeit (sie trifft nur auf ein Objekt zu) und eine bestimmte
Relation (zwischen Charles II. und seinem Vater). Wie ist so eine Kennzeichnung
zu analysieren? Nach Russel folgendermaßen:
Es gibt ein x, das Charles II. zeugte und wenn y Charles den
II. zeugte, dann ist x=y.
Diese zweite Ergänzung ist die Einmaligkeitsbedingung.
Charles II. hatte nur einen Vater. Der Satz „Der Vater von Charles II.
wurde hingerichtet.“ sieht analysiert dann so aus:
Es gibt ein x das Charles II. zeugte, hingerichtet wurde und
wenn y Charles II. zeugte, dann ist x=y
Man sieht worauf es hinausläuft; alle Kennzeichnungen werden
auf Formen zurückgeführt, die keine Kennzeichnungen mehr enthalten.
Wie hilft uns das jetzt weiter? Naja, Frege hatte ein
Problem, was wenn ein Name oder eine Kennzeichnung keinen Referenten besitzt?
„Der König Englands ist kahl“ ist eine Aussage über ein Objekt auf das
referiert wurde. (Zumindest zu Russels Zeit. Heute müsste man wohl Königin
sagen.) „Der König von Frankreich ist kahl“ ist keine Aussage über irgendwas,
da es einfach keinen König von Frankreich mehr gibt, auf den diese
Kennzeichnung referieren könnte. Nun könnte man sagen, der Satz ist einfach
Unsinn, aber Russel sagt, nein der Satz ist kein Unsinn, er ist schlicht
falsch.
Warum das so ist, möchte er an 3 Rätseln verdeutlichen, die eine
Namenstheorie lösen sollte.
Rätsel 1: Es ist ein logisches Gesetz, dass wenn a=b ist,
das was für a wahr ist auch für b wahr ist. Außerdem kann man beide Namen in
Propositionen ersetzen, ohne dass sich der Wahrheitswert ändern sollte. Nun
möchte George IV. wissen, ob Scott der Autor von „Waverly“ war. Und nehmen wir
an Scott ist wirklich der Autor von „Waverly“. Nun kann ich „der Autor von
Waverly“ durch „Scott“ ersetzen. Dann wollte George IV. wissen, ob Scott Scott
ist. (Russel fügt noch hinzu, dass George IV. in diesem Fall wohl eher nichts
über die Frage der Identität wissen wollte, sondern er wollte wissen, ob Scott
„Waverly“ geschrieben hat.)
Rätsel 2: Nach dem Satz vom ausgeschlossenen Dritten gilt,
entweder „A ist B“ oder „A ist nicht B“ muss wahr sein. Nun haben wir den Satz
„Der König von Frankreich ist kahl.“ Wir machen eine Liste mit allen kahlen
Objekten und allen nicht-kahlen Objekten. Wir werden den König von Frankreich
in keiner Liste finden. Also ist der Satz weder wahr noch falsch. (Auch hier
erlaubt sich Russel einen Scherz und sagt, dass Hegelianer wohl sagen würden,
er trage eine Perücke.)
Rätsel 3: Wenn der Satz „A unterscheidet sich von B“ wahr
ist, dann ist der Satz „Der Unterschied von A und B existiert“ wahr. Wenn der
Satz falsch ist, dann ist der Satz „Der Unterschied von A und B existiert
nicht“ wahr. Wie kann etwas, das nicht existiert, das Subjekt einer Aussage
sein?
Nun versucht Russel zu zeigen, wie durch seine Theorie die
Rätsel gelöst werden. Zuerst beschreibt er, dass Frege etwas falsch gesehen
hat. Wenn wir eine Kennzeichnung C haben, dann meint C den Referenten und „C“
(also der sprachliche Ausdruck) meint die Bedeutung. C hat also nicht Bedeutung
und Referenz, sondern eine Bedeutung durch die C referiert.
Der Satz „Scott war der Autor von „Waverly““ wird also
folgendermaßen, nach Russels Theorie, analysiert:
Es gibt ein x, das ist Scott und der Autor von „Waverly“
bzw.
„Scott“ und „der Autor von Waverly“ referieren also auf
dasselbe Objekt, nämlich Scott. Hier liegt der Schlüssel zur Lösung der Rätsel.
Rätsel 1 löst sich indem man sieht, dass in der analysierten Version des Satzes,
gar kein Scott als Einzelding mehr vorkommt, das ersetzt werden könnte.
Stattdessen wird einer Variablen x zwei Eigenschaften zugeschrieben, nämlich
Scott zu sein und der Autor von „Waverly“ zu sein. Es ist also nicht von
Einzeldingen die Rede, sondern von Variablen zugewiesenen Eigenschaften. Das x
was beide Eigenschaften besitzt ist Scott.
Für Rätsel 2 müssen wir zuerst einen Begriff erklären und
zwar den der Ambiguität. Bestimmte Sätze können ambig oder mehrdeutig sein.
„Jeder Mann liebt eine Frau“ kann in zwei Weisen verstanden werden:
Alle Männer lieben genau eine Frau bzw.
(Gesprochen: Für alle x gilt: Wenn x ein Mann
ist, dann gibt es ein y, das eine Frau ist und von x geliebt wird.)
oder
Jeder man liebt eine genau Frau bzw.
(Gesprochen: Es gibt ein y für das gilt, y ist
eine Frau und für alle x gilt, wenn x ein Mann ist, dann liebt x y.)
Das hilft uns jetzt bei unserem zweiten Rätsel. Der Satz
„Der König von Frankreich ist kahl“ scheint klar falsch zu sein. Doch wie sieht
es mit dem Satz „Der König von Frankreich ist nicht kahl“ aus? Nun, Russel sagt
dieser Satz ist ambig. Er kann einmal meinen:
Es gibt einen König von Frankreich und dieser ist kahl bzw.
und dieser Satz ist klar falsch oder es kann
meinen:
Es gibt keinen König von Frankreich und dieser ist kahl bzw.
und dieser Satz ist wahr.
Mit Puzzle 3 verhält es sich ähnlich. Die Differenz von A
und B existiert nur, wenn A und B differieren und auch nur dann referiert „die
Differenz von a und B“
Das ist Russels Theorie der Denotation. Namen sind quasi
Abkürzungen für Kennzeichnungen. Diese Kennzeichnungen wiederum greifen ein
Objekt heraus, auf das sie referieren. „Danny“ ist also die Abkürzung für
„derjenige der gerade diesen Text schreibt“ und diese Kennzeichnung referiert
auf mich.
Somit ist ein weiterer Schritt getan in der traditionellen
Theorie der Namen. Russel hat das Werkzeug geliefert um zu verstehen, wie
Kennzeichnungen referieren und was passiert wenn kein Referenzobjekt existiert.
Ein weiterer Schritt ist noch zu tun, denn auch Russels Theorie wirft einige
schwerwiegende Probleme auf, die Searle glaubte gelöst zu haben.
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